Die Klippen bei Breitenworbis

eine Sage nach mündlicher Überlieferung, bearbeitet
In einer Zeit lange bevor Kanzler, Generalsekretäre oder Erzbischöfe über das Eichsfelder Gebiet herrschten, machten grässliche Riesen das Land unsicher. Im Ohmgebirge hauste ein letzter dieser Art, nur war er noch einiges böser als seine Vorfahren. Die Bewohner der Ortschaften am südlichen Ohmgebirge mussten ihm zu Diensten sein. Er forderte gewaltige Abgaben in Form von Lebensmitteln (Das Geld war noch nicht erfunden) und sonstigen Dingen, die er begehrte. Damals gab es auch noch kein Finanzamt, und so musste er sich den Zins selber holen. Eines Tages kam er wieder nach Battern. Ein Liedchen pfeifend, schritt er von der Osterkuppe her auf den Ort zu. Aber sehr weit kam er nicht. Ungefähr an der Stelle, wo heute die Hühnerfarm ist, stellten sich ihm gewaffnete Horden entgegen. Mit Dreschflegeln, Heugabeln, Sensen und mit lange geübten grimmigen Blicken machten sie ihm unmissverständlich klar, daß nun Schluß mit Lustig sei. Nun war der Riese ebenso böse wie feige und zog sich grummelnd ins Gebirge zurück. Er sann auf Rache. Nach sieben Tage tauchte er dann wieder auf, einen gigantischen Felsblock vor sich her rollend. Die Batterschen schauten zum Walde hoch und ahnten Schlimmes. Schon kullerte das riesige Ding mit ohrenbetäubendem Lärm auf den Ort zu. Plötzlich, als ob die Zeit stehengeblieben wäre, kam der Fels zum erliegen. Der Riese turnte hinterher und warf einen vorsichtigen Blick um den Stein herum. Was für eine Überraschung! Nur wenige Zoll vor dem Felsen lagen zwei arme Kinder im Moos und schliefen! Sie hatten Erdbeeren gesammelt und waren in der warmen Sonne eingenickt. Der Riese war nun zum Platzen gallig und schrie die Kinder fürchterlich an, worauf diese entsetzt aufsprangen und zum Dorf hinunter rannten. Der Unhold wollte sie ergreifen, wurde aber wie von einer unsichtbaren Hand zurückgehalten, sodas er sie nicht erreichen konnte. Der Riese wollte den Fels weiterschieben, dieser bewegte sich jedoch nicht einen Millimeter vorwärts. Er versuchte es immer und immer wieder, das Ergebnis war jedoch das Gleiche: nichts ging mehr. Zu guterletzt war er so wütend, daß er mit aller Macht auf den Felsen einschlug. Dieser zerbarst irgendwann lediglich in zwei Stücke. Der Riese aber hatte genug von Battern und zog sich in Richtung Kälberberg zurück. Lange blieb er nicht mehr in der Gegend. Das Klima und die Erinnerung an sein Versagen machten ihm hier doch zu schaffen. Die Felsteile wurden bald die "Kippen" genannt, weil es von unten so aussah, als ob sie auf das Dorf kippen wollten. Später schob man ein "L" ein, worauf sie dann "Die Klippen" hießen und auch heute noch so genannt werden.
 
  Der Hahn auf dem Kirchturm - Die schönsten Sagen, Legenden und Geschichten vom Eichsfeld
Rudolf Linge, St.Benno Verlag Leipzig 1978